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„EncroChat-Verfahren“: Haftbefehle gegen fünf Angeklagte aufgehoben

Das OLG Zweibrücken hat die Haftbefehle gegen fünf Angeklagte im Zusammenhang mit dem sogenannten EncroChat-Verfahren aufgehoben.

Die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken verhandelt seit dem 19. April 2021 in drei umfangreichen Strafverfahren gegen neun in Untersuchungshaft befindliche Angeklagte wegen des Vorwurfs des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einer Vielzahl von Fällen.

Die Kommunikation soll dabei unter anderem über den sog. Krypto-Messenger-Dienst „EncroChat“ erfolgt sein. Mit diesen Strafverfahren in direktem Zusammenhang stehen Verfahren gegen fünf weitere seit 10. Februar 2021 in Untersuchungshaft befindliche Angeklagte. Diesen fünf Angeklagten wird ebenfalls Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in jeweils vielen Fällen zur Last gelegt, zweien davon in bandenmäßiger Tatbegehung. Die Staatsanwaltschaft Zweibrücken hat am 19. April und 6. Mai 2021 gegen diese Angeklagten Anklage erhoben und jeweils Verbindungsanträge zu den EncroChat-Verfahren gestellt. Die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken hat die Anklagen mit Beschlüssen vom 25. Juni sowie 4., 5., 19. und 26. Juli 2021 zur Hauptverhandlung zugelassen. Die Vorsitzende der Strafkammer hat in diesen Verfahren Termine für die Hauptverhandlung ab 13. Oktober, 23. November bzw. 1. Dezember 2021 bestimmt. Grund für den späten Beginn der Hauptverhandlungen ist die Belastung der Strafkammer durch die bereits laufenden drei Hauptverhandlungen, in denen jetzt schon Termine bis in den Januar 2022 bestimmt sind.

Der 1. Strafsenat des OLG Zweibrücken hat am 17.08.2021 in den letztgenannten Verfahren anlässlich der besonderen Haftprüfung die fünf Haftbefehle aufgehoben.

§ 121 Abs. 1 StPO bestimmt, dass der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat vor Erlass eines auf Freiheitsstrafe erkennenden Urteils über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden darf, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen. Nach § 121 Abs. 3 Satz 2 StPO ruht der Fristablauf, wenn die Hauptverhandlung vor Ablauf der sechs Monate begonnen hat. § 122 Abs. 1 StPO bestimmt, dass das zuständige Gericht andernfalls die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorlegt, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt (besondere Haftprüfung durch das Oberlandesgericht).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG eine besondere Beschleunigung bei der Bearbeitung von Haftsachen. Dieses Beschleunigungsgebot verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. Die nicht nur kurzfristige Überlastung eines Gerichts kann nach dieser Rechtsprechung niemals Grund für die Anordnung der Haftfortdauer sein, selbst dann nicht, wenn sie auf einem Geschäftsanfall beruht, der sich trotz Ausschöpfung aller gerichtsorganisatorischen Mittel und Möglichkeiten nicht mehr innerhalb angemessener Fristen bewältigen lässt. Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die beschleunigte Bearbeitung in Haftsachen genügt die Terminierung in den Verfahren, in denen die nunmehr aufgehobenen Haftbefehle erlassen worden sind, nach Auffassung des Strafsenats nicht. Ein auf eine Überlastungsanzeige der Vorsitzenden der Strafkammer ergangener Präsidiumsbeschluss vom 3. Mai 2021 habe die sich abzeichnende Terminierungssituation der Strafkammer nicht hinreichend verbessert. Eine Hilfsstrafkammer sei nicht eingerichtet worden.

Gegen zwei der fünf Angeklagten sind in anderen Strafverfahren Haftbefehle ergangen, die von der Entscheidung des Senats nicht betroffen sind.

Pressemitteilung des OLG Zweibrücken v. 18.08.2021

 

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