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Durchsuchung, Anfangsverdacht, Zusendung von BtM-Sendungen

Mit Beschluss vom 27.01.20?3 hat das Amtsgericht Mannheim ohne vorherige Anhörung die Durchsuchung der Person, der Wohnung mit Nebenräumen, der Geschäftsräume mit Nebenräumen sowie der Fahrzeuge der Beschuldigten u.a.m nach Betäubungsmitteln, Betäubungsmittelutensilien, Mobiltelefonen, Speichermedien und Computern sowie näher bezeichneten Bestellunterlagen angeordnet. Zur Begründung hat es ausgeführt, aufgrund der bisherigen polizeilichen Ermittlungen bestehe der Verdacht, dass die Beschuldigte zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Jahr 2022, spätestens jedoch im Oktober 2022, den Entschluss gefasst habe, von ihrer Wohnanschrift in der pp. Marihuana gewinnbringend an eine Vielzahl von Abnehmern zu verkaufen und zu übergeben, um sich hierdurch eine nicht unerhebliche fortlaufende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen. Zu diesem Zweck habe sie beabsichtigt, im Internet Marihuana bei einer unbekannten Person in Spanien zu bestellen und sich dieses an Ihre Wohnanschrift liefern zu lassen.

In Ausführung dieses Tatplans habe die Beschuldigte zu zwei nicht näher bekannten Zeitpunkten im Oktober 2022 zwei Bestellungen von jeweils ca. 1.100 g Marihuana, welche von einem unbekannten Absender in Barcelona versandt worden seien, getätigt. Die Sendungen seien im Briefzentrum Trier am 20.10.2022 und am 25.10.2022 angehalten worden.

Der DurchsuchungsbeschIuss vom 27:012023 wurde am 09.03.2023 vollzogen.

Mit Schreiben vom 14.03.2023 hat die Beschuldigte über ihren Verteidiger Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, der DurchsuchungsbeschIuss sei rechtswidrig, da kein Anfangsverdacht vorgelegen habe. Er würde sich allein auf zwei Paketsendungen beziehen, die fünf Monate zurückgelegen haben; dies begründe keinen hinreichenden Tatverdacht, da nicht auszuschließen sei, dass eine andere Person unter Verwendung der Personalien der Beschuldigten die Bestellungen aufgeben habe, um die Sendungen in Empfang zu nehmen. Sonstigen Tatsachen zur Begründung eines Anfangsverdachts lägen nicht vor. Die polizeilichen Erkenntnisse, wonach die Beschuldigte im Jahr 2021 von ihrer Tochter Marihuana in unbekannter Menge bezogen habe, was wiederum nicht zu einem Eintrag im Bundeszentralregister geführt habe, sei nicht geeignet, im Zusammenspiel mit den Postsendungen einen Anfangsverdacht bezüglich einer qualitativ völlig anderen Tat der internationalen illegalen Einfuhr zu begründen. Erschwerend trete hinzu, dass der Durchsuchungsbeschluss vom 27.012023 erst am 09.03.2023 vollzogen worden sei, ohne dass es zwischenzeitlich etwa zu weiteren Zusendungen an die Beschuldigte gekommen wäre.

Dass bei der Durchsuchung dann Betäubungsmittel gefunden worden seien, führe nicht rückwirkend zur Rechtmäßigkeit des Durchsuchungsbeschlusses.

Das Amtsgericht Mannheim half der Beschwerde nicht. ab. Die Staatsanwaltschaft beantragte die Beschwerde als unbegründet zu Verwerfen. Der Verteidiget nahm mit Schriftsatz vom 24.04.2023 ergänzend Stellung.

Gemäß § 102 StPO ist eine Durchsuchung bei einer Person zulässig, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte oder kriminalistischer Erfahrungen angenommen werden kann; dass diese als Tätet oder Teilnehmer einer verfolgbaren Straftat in Betracht komme. Eine Durchsuchung darf nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Verdachts erforderlich sind, denn die Maßnahme setze bereits einen Verdacht voraus. Erforderlich ist somit der personenbezogene, qualifizierte Anfangsverdacht einer Straftat, also zureichende tatsächliche Gründe, dass der oder die Verdächtige eine Straftat begangen hat. Dabei ist bereits die begründete Aussicht, relevante Beweismittel zu finden, ausreichend, nicht jedoch vage Anhaltspunkte.

Aufgrund der Ermittlungen der Polizei hat das AG – Ermittlungsrichter Mannheim zu Recht einen solchen qualifizierten Anfangsverdacht gegenüber der Beschuldigten angenommen.

Die zwei innerhalb von 5 Tagen angehaltenen Paketsendungen, die jeweils ca. 1 kg Marihuana enthielten, stammten nach bisherigen Erkenntnissen von dem gleichen Absender in Spanien und waren an die Beschuldigte adressiert. Als Adresse diente eine Postfiliale in der Nähe der Wohnadresse der Beschuldigten. Zudem gab es polizeiliche Erkenntnisse, auch wenn der Bundeszentralregisterauszug der Beschuldigten ohne Eintrag war – dass diese im Jahr 2021 Bezug zu Betäubungsmitteln habe und auch ihre Tochter, von der sie damals Betäubungsmittel bezogen haben soll, ist mehrfach polizeilich wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz in Erscheinung getreten.

Bei diesen Erkenntnissen handelt es sich um zureichende tatsächliche Anhaltspunkte, aufgrund derer nach kriminalistischer Erfahrung angenommen werden kann, dass die Beschuldigte als Täterin oder Teilnehmerin einer verfolgbaren Straftat in Betracht kommt.

Weiterer Feststellungen bedurfte es vorliegend für die Annahme des erforderlichen Anfangsverdachts nicht, da die Durchsuchung gerade dem Auffinden von Beweismitteln dienen soll, um die Ermittlungsbehörden in die Lage zu versetzen, einen Anfangsverdacht zu erhärten oder ggfs. auch zu entkräften.

Die insoweit vom Verteidiger zitierte Rechtsprechung zu Paketsendungen mit Betäubungsmittel bezieht sich ausschließlich auf einen hinreichenden Tatverdacht; der für die Eröffnung eines Hauptverfahrens erforderlich ist. Neben dem unterschiedlichen Verdachtsgrad lagen hier neben den Paketsendungen zudem Erkenntnisse vor, dass die Beschuldigte bereits in der Vergangenheit Betäubungsmittel erworben hatte, wodurch nach kriminalistischer Erfahrung auch der erforderliche Anfangsverdacht für die dem Durchsuchungsbeschluss zu Grunde liegenden Tatvorwürfe – auch wenn diese qualitativ erheblicher sind – angenommen werden konnte. Aufgrund der innerhalb eines kurzen Zeitraums versendeten großen Mengen an Betäubungsmitteln, konnte das Amtsgericht zum Zeitpunkt .der Entscheidung drei Monate nach den vorgeworfenen Taten auch davon ausgehen, dass bei der Beschuldigten nicht nur (auch elektronisch gespeicherte) Aufzeichnungen zu den vorgeworfenen Taten, sondern auch noch Betäubungsmittel gefunden werden konnten.

Die Durchsuchung war auch verhältnismäßig. Nur durch die Durchsuchung bei der Beschuldigten konnte geklärt werden, ob diese als Täterin oder Teilnehmerin einer Straftat in Betracht kommt und ob gegen sie weitere Ermittlungen angestellt werden müssen. insofern werden ihre Grundrechte aufgrund des staatlichen Strafverfolgungsanspruches für die zur Durchsuchung erforderliche Dauer in angemessener Weise eingeschränkt.

Die StPO sieht darüber hinaus weder eine Vollstreckungsfrist noch einen Zeitpunkt vor; an dem ein nicht ausgeführter Durchsuchungsbeschluss unwirksam wird.

Quelle: Newsletter 8/2023 Burhoff zu LG Mannheim, 17. Große Strafkammer, 17 Qs 11/23

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