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BGH zum Inverkehrbringen von Gamma-Butyrulacton (GBL) – Urteil vom 8. Dezember 2009 (LG Nürnberg-Fürth)

Zur Frage der Strafbarkeit des unerlaubten Inverkehrbringens von Gamma-Butyrolacton (GBL) zu Konsumzwecken nach dem Arzneimittelgesetz

Leitsätze

1. Das unerlaubte Inverkehrbringen von Gamma-Butyrolacton (GBL) zu Konsumzwecken ist nach dem Arzneimittelgesetz strafbar.

2. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedarf der Arzneimittelbegriff einer einschränkenden Auslegung. Das Kriterium der subjektiven Zweckbestimmung kann bei der Einordnung eines Stoffes oder einer Zubereitung von Stoffen als Arzneimittel nicht zu einer Ausweitung des gesetzlichen Tatbestands führen, sondern angesichts der außerordentlichen tatbestandlichen Weite lediglich zu einer Begrenzung der Strafbarkeit herangezogen werden. Auf diese Weise werden Substanzen, die zwar die von § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG aF geschilderten Wirkungsweisen aufweisen, aber nicht zum Zweck der Einflussnahme auf den menschlichen Körper eingesetzt werden sollen, dem Anwendungsbereich der im Arzneimittelgesetz enthaltenen Strafvorschriften entzogen.

3. In Fällen, in denen nach der Verkehrsanschauung objektiv kein Arzneimittel vorliegt, kann die Einordnung einer Substanz unter den Arzneimittelbegriff und damit auch die Strafbarkeit nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften nicht allein mit der vom Hersteller oder vom Abgebenden zum Ausdruck gebrachten Zweckbestimmung begründet werden.

4. Ob ein Stoff (oder eine Zubereitung aus Stoffen) zu einem der in § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG aF aufgeführten Zwecke bestimmt ist, richtet sich grundsätzlich nach der Verkehrsanschauung. Dabei ist auf die Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers – hier: der am Gebrauch euphorisierend wirkender Mittel Interessierten – abzustellen. Die Verkehrsanschauung knüpft dabei regelmäßig an eine schon bestehende Auffassung über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihrer Anwendung an, die wiederum davon abhängt, welche Verwendungsmöglichkeiten solche Mittel ihrer Art nach haben. Die Anschauungen der Verbraucher werden weiterhin durch die stoffliche Zusammensetzung eines Erzeugnisses, die pharmakologischen Eigenschaften eines Mittels, durch die Auffassung der pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft sowie durch die dem Mittel beigefügten oder in Werbeprospekten enthaltenen Indikationshinweise, Gebrauchsanweisungen oder durch die Aufmachung beeinflusst, in der das Mittel dem Verbraucher allgemein entgegentritt. Von Bedeutung sind schließlich auch der Umfang der Verbreitung eines Produkts, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern, aber auch die Gefahren aufgrund von Nebenwirkungen und Risiken bei längerem Gebrauch.

5. Auch die Neuregelung des Arzneimittelbegriffs führt zu keinem anderen Ergebnis. Für den Bereich der sog. Funktionsarzneimittel hat der Gesetzgeber nunmehr klargestellt, dass es für die Einordnung eines Mittels als (Human-)Arzneimittel allein auf dessen Wirkungsweise bei der Anwendung im oder am menschlichen Körper ankommt. Für eine Zweckbestimmung des Mittels nach objektiven Kriterien bleibt insoweit kein Raum mehr. Da durch die Einnahme von GBL die körperlichen und seelischen Zustände eines Menschen beeinflusst werden, kommt diesem Mittel eine pharmakologische Wirkung zu. Nach der Neufassung des Arzneimittelbegriffs handelt es sich bei GBL deshalb um ein (Funktions-)Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2a AMG. Dessen unerlaubte Abgabe an Konsumenten ist daher nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften verboten und unterliegt gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 AMG derselben Strafandrohung wie bisher (§ 2 Abs. 1 und 3 StGB).